Oksana Miroshnichenko-Braun
Lizensierte Gästeführerin in Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen, Speyer, Weinheim und Region
Mitglied im Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e.V.
Mitglied des Heidelberger Gästeführer e.V.
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Russen in Heidelberg
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22.05.08.09:22
Eine kleine Geschichte über echte Männerfreundschaft und wahre Liebe: Mendeleev, Borodin und Sechenov.
Aus dem Lexikon:

„Dimitrij Ivanovich Mendeleev, russischer Chemiker, geboren 1834 im sibirischen Tobolsk, stellte 1869 unabhängig von Lothar Meyer das Periodensystem der Elemente auf, das er selbst „periodische Gesetzmäßigkeit“ nannte. Es ermöglichte eine tabellarische Anordnung: Und so vollendete Mendeleev vorläufig die 50-jährige Suche nach einem Zusammenhang zwischen den Atomgewichten und den chemischen Eigenschaften der chemischen Elemente“.

„Alexander Porfirevich Borodin, 1833-1887, unehelicher Sohn des georgischen Fürsten Luka Stepanowitch Gedianow, russischer Chemiker. Mediziner, Komponist und Hauptvertreter der jungen russischen Schule, brachte das nationale Element zum Ausdruck. Komponierte u.a. Sinfonien und Lieder. Sein Hauptwerk die Oper „Fuerst Igor“.“

„Ivan Mikhaylovich Sechenov, 1829-1905, russischer Komponist und Chemiker und Physiologe, Vater der russischen Physiologie. Er brachte Elektrophysiologie und Neurophysiologie in die medizinischen Labors.“

Das naturwissenschaftliche Jahrzehnt wurde in Heidelberg von Chemiker Dimitrij Ivanovich Mendeleev, Komponist und Chemiker Aleksandr Porfirevich Borodin und Physiologe Ivan Michajlivich Sechenov eröffnet.

Anfang des neunzehnten Jahrhunderts kamen viele russische Wissenschaftler und Studenten nach Heidelberg. Die Stadt schien ihnen damals konkurrenzlos billig.

So schrieb Sechenov: „In Heidelberg ließ ich mich in dem bescheidenen, aber soliden Hotel „Zum Ritter“ am Platz bei der Kirche nieder. Heidelberg hat einen hohen Freizeitwert – das bedeutet, dass man leicht Reisen nach Frankreich, Italien und in die Schweiz machen kann.“

Mendeleev kam nach Heidelberg, um mit Bunsen in dessen chemischem Institut zu arbeiten. Aber bald erkannte er, dass „es kein sauberes, ruhiges Eckchen gab, in dem man so heikle Versuche wie z.B. zur Kapillarität mit so genauen Instrumenten wie z.B. dem Kathetometer hätte durchführen können“.

In der Schulgasse No.2 fand er sein „ruhiges Eckchen“. Hier arbeitete Mendeleev bis zu seiner Abreise im Februar 1861. „Stellen sie sich vor, für zwei hohe und recht große Räume, möbliert und mit Service, zahle ich 10 Gulden – das sind etwa 5 Rubel und 50 Kopeken. Entsprechend ist auch alles andere hier in Heidelberg billig, “ so schrieb Mendeleev in einem Brief.

Mendeleevs Einladung folgend, kam Aleksandr Porfirevich Borodin nach Heidelberg, heute weltweit als Opernkomponist bekannt. Aber in der Chemie war er nicht weniger begabt, als in der Musik. „Wir nahmen ein Zimmer im Hotel Badischer Hof und sind dadurch gerade dorthin geraten, wo alle Russen, die in Heidelberg leben, zu Mittag essen“, - so schrieb Borodin in seinem Tagebuch. Am ersten Abend speiste er mit Mendeleev und Sechenov, und ab jetzt begann zwischen ihnen eine echte Männerfreundschaft, die für die Wissenschaft sehr von Nutzen war.

Aber dann mischte sich das Schicksal ein. Bei einem geselligen Abend in der Pension Hoffman lernte Borodin seine spätere Frau, die begabte Pianistin Ekaterina Protopopova kennen. Die Musik brachte beide einander näher. Borodin war so verliebt, dass er seine Forschungen im Labor von Mendeleev stark vernachlässigte. Bald platzte Mendeleev der Kragen und er stellte seinen Freund und Kollegen zur Rede: Borodin sollte sich zwischen Musik und Chemie, Arbeit und Liebe entscheiden.

Die Liebe siegte. Borodin heiratete seine liebe „Katüscha“ und widmete sich voll und ganz der Musik. Aber Heidelberg blieb in seiner Erinnerung für immer und ewig. 17 Jahre später kommt er wieder nach Heidelberg und schreibt an seine Frau: „Und da ist wieder der Badische Hof! Der gleiche Saal, die gleiche Treppe. Ich nahm mir ein Zimmer und musste, als ich allein war, losheulen wie ein Kind. Die Gefühle, von denen ich überwältigt wurde, kann ich dir kaum beschreiben“.

So direkt und streng war die Position Mendeleevs zu seinem Freund, aber zu sich selbst war Dimitri Ivanovich bei weitem nicht so streng! Obwohl er in Russland eine Frau mit einer Schar von Kindern hatte, begann Mendeleev eine Romanze mit einer Schauspielerin des Heidelberger Theaters und zeugte mit ihr ein uneheliches Kind – ein Mädchen. Zu seinem Schutz muss ich dazu sagen, dass er diese Tochter bis zu deren Heirat unterstütze, obwohl er schon längst zu seiner Familie zurückgekehrt war. Samt Frau und unzähliger Kinder zog er nach Kiew, diente als Chemieprofessor im Polytechnischen Institut und vollendete dort sein Lebenswerk - das Periodensystem der Elemente. Später kehrte er nach Sankt Petersburg zurück, wo er im Jahr 1907 an den Folgen einer Grippe starb.

85 Jahre nach seiner Abreise nach St. Petersburg, fing ich selbst mit meiner Lehre in einer kleinen Druckerei an, die sich im Keller genau unter seinem Kabinett befand. Später lernte ich meinen jetzigen Mann kennen und zog zu ihm nach Heidelberg. Und jetzt erzählte ich ihnen diese Geschichte von einer Männerfreundschaft, die von der Liebe besiegt wurde.

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Oksana Miroshnichenko-Braun